Wenn du bei der Bank ein Darlehen anfragst, macht es Sinn, vorher in die Bankenwelt einzutauchen, um auf einem gewissen Niveau „mitreden“ zu können. Begriffe, die du auf jeden Fall gehört haben musst, sind Beleihungswert, Beleihungsgrenze und Beleihungsauslauf.
Zuvor sei gesagt, dass die Bank nicht jeden Kaufpreis finanzieren kann. Denn wenn der Kreditnehmer ausfällt, hat die Bank die Immobilie in den Büchern und muss entscheiden, ob sie das Objekt in die Zwangsverwaltung und zur Zwangsversteigerung gibt. Bei der Zwangsverwaltung vereinnahmt die Bank die Mietverträge und führt die Bewirtschaftung durch.
Was passiert bei einer Zwangsversteigerung?
Bei der Zwangsversteigerung wird das Objekt verkauft. In der Zwangsverwaltung wird ein Zwangsverwalter bestimmt, der die Erträge der Immobilie auf den Gläubiger und Eigentümer aufteilt. Es ist möglich, die Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung gleichzeitig zu beauftragen. Um in diesem Fall die ausstehenden Forderungen einzuspielen, muss die Bank die Immobilie bewerten.
Sie muss bereits zum heutigen Zeitpunkt einschätzen, wieviel die Sicherheit beispielsweise bei einer zukünftigen Zwangsversteigerung einbringt. Damit Banken nicht in Schieflage geraten, ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass diese bei der Einwertung des Objektes vorsichtig vorgehen. Von dem ermittelten Wert nimmt die Bank eine Sicherheitsreserve, beispielsweise 20 Prozent. Sie kann dann von dem vorsichtig ermittelten Wert 80 Prozent finanzieren.
Ein Beispiel:
Kaufpreis |
100.000 Euro |
Ermittelter Wert | 80.000 Euro |
Sicherheitsreserve | 16.000 Euro |
Finanzierung | 64.000 Euro |
Hier wäre die Bank dank ihrer Vorsichtigkeit gegen Kreditausfälle gewappnet. Nun zeichnet sich in der Realität ein anderes Bild ab. Denn gerade in der heutigen Niedrigzinsphase werden in der Regel Kaufpreise finanziert und in Einzelfällen sogar die Nebenkosten. Wie kann das sein?
Immer wenn die Bank ihre sichere Position verlässt, muss sie das mit der Bonität des Kunden begründen, beispielsweise, wenn dieser um ein nachhaltiges hohes Einkommen bei einer geringen Belastung verfügt, einen guten Schufa-Score, freies Vermögen oder weitere Kreditnehmer stellen kann. Wenn die Bonität nicht passt, wird die Bank es schwer haben, über ihren vorsichtig ermittelten Wert zu finanzieren.
Das ist auch gut so, denn wenn wir uns an das Jahr 2008 zurück erinnern, wissen wir heute ziemlich genau, dass der Auslöser der weltweiten Finanzkrise gerade durch die Unvorsichtigkeit der Banken auf dem US-Markt ausgelöst wurde. Es wurden sogenannte „Subprime“ Kredite vergeben. Darunter sind Hypothekenkredite zu verstehen, die an bonitätsschwache Personen vergeben wurden, die ihre laufenden Objektwertsteigerungen immer wieder nachbeliehen haben, bis das Kartenhaus 2008 zusammenstürzte. Wenn Banken ins Wanken geraten, wird es für das weltweite Finanzsystem gefährlich. Aber kommen wir zurück zum Thema.
Der vorsichtige Wert wird im Bankenjargon auch Beleihungswert genannt. Die Regeln zum Thema Beleihung finden sich im Pfandbriefgesetz. Im § 16 ist die Wertermittlung geregelt.
Beleihungswertermittlung § 16
“(1) Die als Grundlage für die Beleihungswertfestsetzung dienende Wertermittlung ist von einem von der Kreditentscheidung unabhängigen Gutachter vorzunehmen, der über die hierzu notwendige Berufserfahrung sowie über die notwendigen Fachkenntnisse für Beleihungswertermittlungen verfügen muss.“
Gerade bei Mehrfamilienhäusern oder höheren Kreditsummen lassen Bank die Objekte über Gutachter einwerten. Diese Gutachten kosten in der Regel zwischen 1.200 Euro bis 3.500 Euro. Zusätzlich verzögert dieser Prozess die Kreditentscheidung, da zwischen der Beauftragung des Gutachters und des Vorliegens des Ergebnisses mehrere Woche vergehen können. Die Kosten für die Wertermittlung sind im Eigeninteresse der Bank und können dem Kreditnehmer in der Regel nicht weiter gegeben werden. Anders sieht es aus, wenn der Kreditnehmer gewerblich ist, also eine GmbH oder einen gewerblichen Grundstückshandel betreibt.
§ 16 Absatz 2
„(2) Der Beleihungswert darf den Wert nicht überschreiten, der sich im Rahmen einer vorsichtigen Bewertung der zukünftigen Verkäuflichkeit einer Immobilie und unter Berücksichtigung der langfristigen, nachhaltigen Merkmale des Objektes, der normalen regionalen Marktgegebenheiten sowie der derzeitigen und möglichen anderweitigen Nutzungen ergibt. Spekulative Elemente dürfen dabei nicht berücksichtigt werden. Der Beleihungswert darf einen auf transparente Weise und nach einem anerkannten Bewertungsverfahren ermittelten Marktwert nicht übersteigen. Der Marktwert ist der geschätzte Betrag, für welchen ein Beleihungsobjekt am Bewertungsstichtag zwischen einem verkaufsbereiten Verkäufer und einem kaufbereiten Erwerber, nach angemessenem Vermarktungszeitraum, in einer Transaktion im gewöhnlichen Geschäftsverkehr verkauft werden könnte, wobei jede Partei mit Sachkenntnis, Umsicht und ohne Zwang handelt.“
Der Beleihungswert darf den Kaufpreis, in der Regel aber auch den Marktwert nicht übersteigen. Selbst wenn du gut verhandelst und den Verkäufer massiv im Preis drückst, wird nur der Verkaufspreis als Wert zugrunde gelegt. Der Beleihungswertermittlung müssen spekulative Merkmale entzogen werden. Die Werte sollten stattdessen transparent und in einem anerkannten Wertermittlungsverfahren berechnet werden.
§ 16 Absatz 4
„(4) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Einzelheiten der Methodik und Form der Beleihungswertermittlung sowie die Mindestanforderungen an die Qualifikation des Gutachters zu bestimmen. Die Rechtsverordnung kann für die Bewertung von überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Beleihungsobjekten Erleichterungen vorsehen. Vor Erlass der Rechtsverordnung sind die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft anzuhören. Das Bundesministerium der Finanzen kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen.“
Im letzten Absatz wird deutlich gemacht, dass zu Wohnzwecken genutzte Immobilien eine gewisse Erleichterung erfahren dürfen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es sich um Eigenheime oder einzelne Eigentumswohnungen handelt, die finanziert werden. Denn für eine Eigentumswohnung mit einem Volumen von unter 200.000 Euro reicht im Normalfall ein geeigneter Vergleichswert zur Ermittlung eines Beleihungwertes. Dieser kann für gewöhnlich über den Gutachterausschuss angefordert werden.
Wie wird der Beleihungswert von der Bank berechnet?
Es gibt verschiedene Methoden, um den Beleihungswert zu berechnen. Die drei gängigsten Verfahren sind das Sachwertverfahren, das Ertragswertverfahren und das Vergleichswertverfahren, die oftmals miteinander kombiniert werden. Während das Sachwertverfahren oftmals bei selbst genutzten Immobilien zum Einsatz kommt, wird das Ertragswertverfahren überwiegend für zu vermietende oder gewerbliche Objekte genutzt. Handelt es sich um Wohnimmobilien, ist das Vergleichswertverfahren eine gängige Methode.
Beispiel, wie du die Beleihungsgrenze anwendest
Du möchtest eine Immobilie für 100.000 Euro kaufen. Da du diese hohe Summe nicht aus Rücklagen bestreiten kannst, benötigst du ein Immobiliendarlehen von der Bank.
Kaufpreis der Immobilie | 100.000 Euro |
Beleihungswert (85 Prozent des Kaufpreises) | 85.000 Euro |
Beleihungsgrenze (60 Prozent des Beleihungswertes) | 51.000 Euro |
Wenn du das Darlehen bei einer Pfandbriefbank aufnimmst, gilt die Beleihungsgrenze von maximal 60 Prozent. In diesem Fall bekommst du ein Immobiliendarlehen in Höhe von 51.000 Euro. Du kannst dich aber auch für eine andere Bank entscheiden, die kein Pfandbriefprivileg besitzt und für die diese Grenze nicht gilt.
Was der Beleihungsauslauf aussagt
Der Beleihungsauslauf sagt aus, wieviel Prozent du vom Beleihungswert finanzieren willst. Am liebsten finanzieren Banken mit einem Beleihungsauslauf vom 80 Prozent.
Nehmen wir das Beispiel mit dem Kaufpreis von 100.000 Euro. Der Beleihungswert beträgt 85.000 Euro. 80 Prozent davon sind 68.000 Euro. Wenn du günstig einkaufst und der ermittelte Beleihungswert über 100.000 Euro liegt, muss trotzdem aufgrund des Niederstwertprinzip der Kaufpreis genommen werden. Davon werden dann die 80 Prozent abgezogen. Bei 80 Prozent würde der Beleihungsauslauf 80.000 Euro betragen. Wenn du nun einen Beleihungsauslauf von 100 Prozent anstrebst, liegt die Darlehenssumme bei einem Beleihungswert von 100.000 Euro bei 100.000 Euro.
Bei einem Beleihungswert von 80.000 Euro wäre der Beleihungsauslauf schon bei 125 Prozent bei einem Kaufpreis von 100.000 EUR. Einige Banken akzeptieren allerdings nur Beleihungsausläufe von 100 bis 120 Prozent, einige sogar bis 160 Prozent. Wenn der Beleihungsauslauf über 100 Prozent liegt, ist es für die Bank ein höheres Risiko. Sie finanziert nämlich über den langfristig sicheren Wert hinaus.
Wie berechnet sich der Blankoanteil?
Eigentlich will sie von diesem Wert auch noch eine Sicherheitsreserve von 20 Prozent abziehen. Wenn der Beleihungswert beispielsweise nur bei 40.000 Euro liegt, ist der Auslauf enorm. Der Betrag, der nicht durch die Kreditsicherheit gedeckt ist, wird auch Blankoanteil genannt und wie folgt berechnet.
Wenn wir den Kaufpreis von 100.000 Euro, einen Beleihungswert von 80.000 Euro und einen Sicherheitsabschlag von 20 Prozent auf den Beleihungswert nehmen, ergibt sich ein Betrag von 64.000 Euro. Wenn nun 100.000 Euro Kaufpreis finanziert werden, liegt der Blankoanteil bei 36.000 Euro. Umso höher der Blankoanteil bei einer Bank ist, desto höher ist das Kundenrisiko für die Bank. Als Investor ist es aus diesem Grund Pflicht, günstig einzukaufen, um den Blankoanteil gering zu halten.
Fazit
Der Beleihungswert ist für das Kreditinstitut eine wichtige Größe und gibt den Wert der Immobilie über eine lange Zeitdauer an. Für dich kommt es darauf an, immer günstig einzukaufen und die Objekte zu entwickeln, damit auch zukünftige Finanzierungen gut zu stemmen sind und die Blankoanteile bei der Bank möglichst niedrig sind.
Mit den besten Investorengrüßen aus Leipzig
Erik
Anteile an einer UG beleihen, wie geht das ohne Mitgesellschafter zu werden ?